Das erfundene Mittelalter
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28.09.2022/22.12.2023

Das erfundene Mittelalter


Einleitung


mittelalter

Der deutsche Buchautor Heribert Illig behauptet, dass fast 3 Jahrhunderte im geschichtlichen Ablauf erfunden worden seien.

Auf das Jahr 614 soll das Jahr 911 folgen und was dazwischen ist, sei eine reine Erfindung. Also wären wir heute im Jahre 1725 circa und nicht im Jahre 2022.

Als ich dies zum ersten Mal hörte, habe ich mich fast totgelacht. Aber andererseits will ich nicht vom Semmelweissreflex behaftet sein. So habe ich gründlich nachgeforscht.

Vorerst frage ich mich: Wie, und wer könnte die ganze europäische Geschichte fälschen?

Die Antwort ist sehr einfach, falls überhaupt eine Fälschung vorliegt, dann kann dies nur durch eine zentrale Stelle erfolgen, die über ganz Europa damals die Verwaltung und die Befehlsgewalt hatte. Für die genannten Jahre - nämlich 614-911 - gibt es tatsächlich eine solche zentrale Ordnungsgewalt und diese heisst: Vaticano.

Nur wenn der Vatikan mitgemacht hätte und dies auch erlaubt hätte, hätte das tatsächlich erfolgen können. Aber dann müssten auch Bestechungsgelder seitens der Kaiser und Könige vorhanden sein. Der der Vatikan macht nichts gratis.



Kongruente Beispiele

Das Judas- und das Philipp-Evangelium

In diesem Kontext habe ich mich an etwas erinnert. Das Judas-Evangelium hat ein C14-Test durch die Universität von Arizona hinter sich. Dieser Test ergab, dass das Judas Evangelium circa 1700 - 1800 Jahren alt ist und nicht wie irrtümlich im Netz angegeben, mit 1800 bis 1900 Jahren. Da das gefunden Judas Evangelium die Unterschrift Judas hat, würde dies in der Hypothese des gefundenen Mittelalter passen.

Auch das Philipp-Evangelium soll knapp über 1700 Jahre alt sein.

Damit höre ich erst einmal auf, über Herrn Illig zu lachen.

Nicht zu vergessen, dass das Judas-Evangelium und das Philipp-Evangelium nicht im Besitz des Vatikans sind und somit im Alter und mit dem C14-Test glaubwürdig sind.



Weitere Beweise

Nun müsste man weitere Indizien finden könnten.

Meiner bescheidenen Ansicht nach, kann man hierüber Beweise nur ausserhalb des Vatikans finden, denn der Vatikan hat bestimmt kein Interesse daran eventuelle eigene Sünden zu veröffentlichen.

Der koptische Kalender und dessen Beginn

Laut koptischer Kalender sind wir heute (2022) im Jahre 1738.

Die Kopten haben sich vom Vatikan im Jahre 451 getrennt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sie die gleiche Zeitangaben der Katholiken, sowie das julianische Kalender.

Nun wird aber behauptet, dass sie in den Jahresangaben sich von Jesus abgewandt hätten und stattdessen ihr Kalender im Jahr der Thronbesteigung des römischen Kaisers Diokletian, begonnen hätte.

Diokletian war der schlimmste Christenverfolger und Massenmörder der Kopten. Diese an sich lächerliche und nicht glaubwürdige Behauptung wird in den offiziellen Geschichtsbüchern fundiert verbreitet.

Logisch erscheint mir, dass die Kopten den alten, julianische Kalender weitergeführt haben und ganz bestimmt Christus als Basis belassen haben. Ganz bestimmt nicht ihr ärgster Feind bei dessen Tronbesteigung.

Aber wenn ich richtig liege, dann müsste in der koptischen Geschichtsschreibung in diesen 3 Jahrhunderten einiges merkwürdig sein.

Agathon, 13. Patriarch der Kopten

So nehme ich als Beispiel den 13. Patriarchen der Kopten "Agathon". Er soll von 654 - 673 Patriarch gewesen sein. Also in der Zeit des "erfundenen Mittelalters.

Auf der bekannte, südamerikanische Seite http://www.scielo.org.co finden wir folgende Angaben:

Agathon was contemporary to the great bishop Zacharias of Sakha (Müller, 1991, pp. 2368a- 2369a; Evelyn-White, 1932, pp. 276-280) and Agathon like him was disciple of the Abraham and George (Coquin, 1991, pp. 12a-13a) the disciples of John the Hegumen of Scetis (Zanetti, 1996, pp. 273-405) "the last great saints" (Evelyn-White, 1932. pp. 278-280).

Sakha in the book of the History of the patriarchs.

During the patriarchate of Agathon the patriarch (661-677) (who is also contemporary to Agathon the Stylite) an incident showing the state of confusion between Chalcedonians and anti-Chalcedonians occurred in the city of Sakha, which was predominantly under the influence of a Chalcedonian majority. It had a magistrate, an archon by the name of Isaac, who, in conjunction with its Muslim governor, was able to prevail over the Chalcedonian majority. The viceroy of Egypt at the time was Maslamah ibn Makhlad ibn Samit al-Ansari (667-689). He sent seven bishops to Sakha to make an inquiry into the accusation that some officials had been branded. Together with Isaac, who was obviously a follower of Agathon the patriarch, the situation was clarified, and the accused were absolved. The life of Agathon the Stylite does not make any allusion to this event, which took place in his city.

Zu Deutsch:

Agathon war ein Zeitgenosse des großen Bischofs Zacharias von Sacha und Agathon war wie dieser ein Schüler von Abraham und Georg, den Schülern von Johannes dem Hegumen von Scetis, "den letzten großen Heiligen".
Während des Patriarchats von Agathon dem Patriarchen (661-677) (der auch Zeitgenosse von Agathon dem Styliten ist) ereignete sich in der Stadt Sacha, die überwiegend unter dem Einfluss einer chalkedonischen Mehrheit stand, ein Vorfall, der den Zustand der Verwirrung zwischen Chalcedonianern und Antichalkedonianern zeigt. Sie hatte einen Magistrat, einen Archon namens Isaak, der sich zusammen mit dem muslimischen Gouverneur gegen die chalkedonische Mehrheit durchzusetzen vermochte. Der Vizekönig von Ägypten war zu dieser Zeit Maslamah ibn Makhlad ibn Samit al-Ansari (667-689). Er schickte sieben Bischöfe nach Sacha, um eine Untersuchung über die Anschuldigung durchzuführen, dass einige Beamte gebrandmarkt worden waren. Zusammen mit Isaak, der offensichtlich ein Anhänger von Agathon dem Patriarchen war, wurde die Situation geklärt und die Angeklagten wurden freigesprochen. Das Leben von Agathon dem Styliten enthält keine Anspielung auf dieses Ereignis, das sich in seiner Stadt zugetragen hat.

Am Schluss wird folgende Schlussfolgerung gezogen:

Conclusion
Despite the abundant data that we possess about the city of Sakha, nothing is mentioned about Agathon the Stylite which means that from the seventh to the twelfth centuries, there was no veneration for Agathon.

Zu Deutsch:

Schlussfolgerung
Trotz den zahlreichen Daten, die wir über die Stadt Sacha besitzen, wird nichts über Agathon den Styliten erwähnt, was bedeutet, dass es zwischen dem siebten und zwölften Jahrhundert keine Verehrung für Agathon gab.

In andern Worten taucht Agathon den Styliten erst in der Geschichtsschreibung vom 12. Jahrhundert auf. So wie es alle Heiligen tun dürfen, einfach auftauchen wo es ihnen passt. Auch sein Geburtsdatum kennt man nicht und seine Stadt Sakha weiss selbst nichts über ihn.

Wikipedia (Christliche Zeitrechnung, 28.09.2022): Um das Jahr 1060 wurde diese Jahresrechnung von der römisch-katholischen Kirche in Gebrauch genommen.

Das trifft den Nagel auf dem Kopf, denn kurz nach 1060 kommt das 12. Jahrhundert und es taucht auch die Verehrung von Agaton den Styliten auf.

Nebenbei:

Ganz bestimmt hat im Jahre 1060 die katholische Kirche den Jahresablauf nach ihren eigenen Vorstellungen "angepasst". Auch eine 1000 Jahre alte Kirche war damals bestimmt erwünscht.

Nun ist mir jetzt definitiv das Lachen über "das erfundenen Mittelalter" vergangen und entschuldige mich förmlich beim Buchautor Heribert Illig, ihn ausgelacht zu haben.


Quellen:
Scielo www.scielo.org (28.09.2022): Coptic liturgical texts relating to Agathon the Stylite
The University of Arizona (28.09.2022): Radiocarbon test to verify coptic gospel Judas
Wikipedia (28.09.2022): Erfundenes Mittelalter
Wikipedia (28.09.2022): Koptischer Kalender
Wikipedia (28.09.2022): Kaiser Diokletian
Wikipedia (28.09.2022): Christliche Zeitrechnung